07 Mai Im Interview mit Beat Welte: Social Media Kommunikation erfordert vor allem Köpfchen, nicht Kohle.
Die technologische Entwicklung der letzten Jahre hat die Art und Weise verändert, wie Kunden mit Marken/Firmen interagieren, deren Produkte und Dienstleistungen sie beziehen. Im Interview verrät uns Beat Welte von Beat Welte Consulting, warum sich durch die Nutzung von sozialen Medien für die eigene Unternehmenskommunikation gerade für KMU spannende Wettbewerbsvorteile ergeben und was es braucht, damit sich kleine und mittlere Unternehmen erfolgreich von grösseren Mitbewerbern differenzieren können.
(Interview von Martin Regli)
passion4IT: KMU setzen Kommunikationsmassnahmen wenig intensiv und zielgerichtet ein – ist das neu?
Beat Welte: Nein. «Kommunikation ist wichtig» – das ist eine altbekannte und allgemein anerkannte Weisheit. Die Spreu trennt sich vom Weizen, wenn es darum geht, die notwendigen Ressourcen – Zeit und Geld – einzusetzen. Hier hapert es oft und bei vielen.
Ist es nicht verständlich, dass gerade KMU von der digitalen Kommunikation überfordert sind?
Beratung ist sicherlich notwendig – denn Kommunikation gehört im Allgemeinen nicht zur Kernkompetenz von KMU. Aber es lohnt sich, denn das Potenzial ist gross, und die Chancen von KMU in der digitalen Welt sind gestiegen – mit überschaubaren Risiken. In der «alten» Welt galt die Regel: Der Erfolg der Kommunikationsmassnahmen ist proportional zur Höhe des Budgets. Salopp gesagt: Wer Kohle hat, der wird gehört. Bei den Social Media gilt: Wer Köpfchen hat, der wird gehört. Und hier sind die KMU klar im Vorteil, weil sie viel frischer ans Werk gehen können als Grossunternehmen, die vor allem die Reputationsrisiken sehen und durch vielfache Corporate Guidelines eingeschränkt sind.
Haben nicht auch KMU Reputationsrisiken?
Klar. «Es dauert ein Leben lang, einen Ruf aufzubauen – und fünf Minuten, um ihn zu zerstören.» Das gilt für alle, auch für KMU. Aber viele KMU haben eine konsistente Unternehmenskultur, die erlaubt, viele oder gar alle Mitarbeitende in die Social-Media-Kommunikation einzubinden. Stell dir einen ETH-Spinoff mit zehn Mitarbeitenden vor, die ein faszinierendes neues Produkt entwickeln und alle auf derselben Wellenlänge sind. Kannst du dir vorstellen, dass alle 10 Mitarbeitenden mehrmals wöchentlich via Social Media über ihr Leben im Spinoff berichten – mit Text, Bild, Ton, Video? Und kannst du dir vorstellen, dass es hochinteressant sein könnte, diese Geschichten zu hören?
Schon. Nur ist aber ein ETH-Spinoff nicht unbedingt der Normalfall…
Aber das Beispiel lässt sich weiterdenken. Wenn ein Kunde mit einem Restaurantbesuch unzufrieden war und dem auf Tripadvisor Ausdruck verleiht, dann sollte das Restaurant das als Chance sehen und reagieren. Aber bitte nicht durch den Geschäftsführer mit irgendwelchen Standardfloskeln – sondern vom Koch, vom Kellner oder der Person, die sich am meisten angesprochen fühlt. Und zwar ehrlich, offen, direkt.
Kann das nicht auch schief gehen – und in einem kommunikativen Chaos enden?
Besteht eine gute Unternehmenskultur mit gemeinsamen Werten, dann darf man darauf vertrauen, dass die Mitarbeitenden im Sinn des Unternehmens kommunizieren, den unzufriedenen Kunden also beispielsweise nicht beschimpfen. Darüber hinaus ist natürlich ein Training der Mitarbeitenden sehr stark zu empfehlen.
Nun wirkt das alles ein bisschen sehr spontihaft und reaktiv…
Das sollte es natürlich nicht sein. Social Media müssen – wie alle Kommunikationsmassnahmen – im Rahmen einer glasklaren Kommunikations- und Marketingstrategie stehen. Ziele, Zielgruppen, entsprechende Kommunikationskanäle sowie Mess- und Erfolgskriterien – all das gilt natürlich für Social Media und die digitale Kommunikation nach wie vor. Social Media sind auch nicht gratis: Natürlich kann man einen Twitter-Account ohne weiteres eröffnen – aber die Kundengewinnung und -pflege über Social Media erfordert ein diszipliniertes, kontinuierliches Vorgehen. Das kostet Zeit und Geld, aber eben: Vor allem Köpfchen. Es geht darum, interessante Geschichten zu erzählen.
Wie sieht denn Erfolg aus bei Social Media?
Das ist zu definieren. Meistens will man eine Aktion auslösen. Etwa, in dem die Besucher einer Website einen Newsletter abonnieren. Übergeordnetes Ziel ist eine Interaktion mit den Benutzern – oder gar der Benutzer untereinander: Social Media leben ja eigentlich durch die Nutzer selbst. Facebook ist nicht populär, weil das Unternehmen Facebook irgendwelche gescheiten oder faszinierenden Inhalte aufschaltet – das tun die Nutzer selbst. Auf den Punkt gebracht: Wenn du es als Anbieter homöopathischer Kügelchen schaffst, dass deine Kunden auf Facebook angeregt über Einsatz und Erfahrungen der Kügelchen diskutieren, dann hast du es geschafft. Du hast die Kunden nicht nur erfolgreich an dein Unternehmen gebunden, du kannst dir auch teure Marktstudien sparen, weil du in direktem Dialog mit den Kunden steckst und weisst, was sie denken und wollen.
Wir danken dir ganz herzlich für diesen spannenden Austausch.
Beat Welte ist seit dem 1. Mai 2017 mit seinem eigenen Unternehmen Beat Welte Consulting am Start. Er stiess 2004 zu Hewlett-Packard Schweiz. Zunächst leitete er dort acht Jahre lang die Kommunikationsabteilung. 2013 übernahm er die Funktion des „Chief of Staff“. Vor seinem langjährigen Engagement für HP war Welte für Pidas tätig. Davor war er fünf Jahre als Chefredaktor von Computerworld bei IDG Schweiz unter Vertrag und amtete mehrere Jahre beim IT-Konzern IBM als Mediensprecher.